Weiterbildungsangebote, betriebliche Altersversorgung, Homeoffice, Sabbaticals – die Liste der Lockmittel, mit denen Unternehmen um qualifiziertes Personal werben, ist lang. Und sie wird immer länger. Denn der Druck wächst: Immer mehr offene Stellen können nicht besetzt werden. Dadurch bleiben die Unternehmen unter ihren Entwicklungsmöglichkeiten, Umsatz und Gewinn leiden. Bisweilen steht sogar die Existenz auf dem Spiel. Wer hat nicht von Handwerksbetrieben gehört, deren Chef keinen Nachfolger gefunden und deshalb den Laden für immer dichtgemacht hat? Von Restaurants, die zunächst nur noch vier Tage pro Woche und schließlich gar nicht mehr ihre Türen geöffnet haben, weil Köche und Kellner Mangelware sind?
Der Fachkräftemangel frisst sich durch nahezu alle Branchen. In ihrer Not gehen auch mittelständische Unternehmen die Personalsuche und -bindung mittlerweile generalstabsmäßig an. HR wird nicht mehr „nebenbei“ erledigt, sondern zur ganzheitlich-strategischen Aufgabe. Sie wird auf vielen Ebenen mit einem großen Bündel von Einzelmaßnahmen bearbeitet – und bringt stetig Innovationen hervor. Wer auf sich aufmerksam machen, ein positives Arbeitgeber-Image und unwiderstehliche Bindekraft gewinnen will, muss heutzutage auch für kreative, bisher nicht beschrittene Wege offen sein. Wir stellen elf davon vor:
- Mobile Recruiting
Nicht nur, aber vor allem die Generation Z als nachrückende Alterskohorte benutzt das Smartphone für so viele Lebensbereiche wie möglich. Knüpfen Sie da an, indem Sie die komplette Bewerbung bei Ihnen per Smartphone ermöglichen. Dazu gehören in erster Linie virtuelle Vorstellungsgespräche. Sofern es sich um Remote Work handelt, die zu 100 Prozent aus dem Homeoffice erledigt werden kann, eröffnet sich die Option, so auch weit entfernt lebende Fachkräfte anzuheuern. Es versteht sich, dass auch all Ihre Karriereseiten responsiv sein sollten, also Smartphone-freundlich.
- Employer Branding
Auch kleine Unternehmen sollten eine eigene Persönlichkeit besitzen und ausstrahlen, um für Fachkräfte attraktiv zu sein. Arbeiten Sie gezielt an Ihrem Firmenimage, insbesondere in Social Media, je nach Tätigkeitsgebiet aber auch regional bei Events etc. Gut macht sich beispielsweise wohltätiges Engagement, aber auch ein wertschätzendes, inklusives, gegebenenfalls diverses Arbeitsumfeld sollte kommuniziert werden.
- Hochschul-Marketing
Sofern Sie auf Hochschulabsolventen abzielen, empfiehlt es sich, diese schon vor dem Studienende auf sich aufmerksam zu machen. Gehen Sie an die Unis und Fachhochschulen in Ihrer Umgebung, mit Events, Plakaten und/oder Infoständen. Zudem können Sie online die örtliche Studenten-Community ansprechen, die oftmals in Social-Media-Gruppen zusammengeschlossen ist.
- TikTok Recruiting
Das TikTok-Videoformat mag fürs Recruiting nicht optimal erscheinen, doch man sollte dorthin gehen, wo die Zielgruppe ist. Junge Arbeitskräfte können Sie mit locker-informellem Content aus Ihrer Firma abholen, wie es beispielsweise Edeka vormacht. Wenn Sie Budget dafür übrig haben, können Sie auch Influencer einspannen. Beliebt, und günstiger, sind Challenges. Mit etwas Manpower-Einsatz können Sie auf TikTok auch direkt Kandidaten aufspüren und anschreiben (Active Sourcing).
- Bezahlung fürs Bewerben
Traditionelle Personaler werden bei dieser Idee denken: Die Welt steht Kopf. Aber es gibt Beispiele (etwa von der Deutschen Familienversicherung) dafür, dass mit einer Prämie für ein Vorstellungsgespräch, ein bestandenes Assessment und schließlich die Einstellung tatsächlich gutes Personal akquiriert werden kann. Die aufgebotenen Summen – zum Beispiel 500 Euro für ein Gespräch bis hin zu 5.000 Euro bei einer Einstellung mit Mindestverbleibdauer – sind bei einer längeren Beschäftigung nicht der Rede wert.
- Events
Für Ihre Arbeitgeber-Bekanntheit in der Region lässt sich mit Events einiges tun. Warum nicht mal ein Familienfest oder ein Open-Air-Festival auf dem Firmengelände veranstalten? Auch interessante Fachvorträge machen die Bevölkerung auf Sie aufmerksam. Dadurch bauen Sie Ihr Image auf und aus und können zugleich bei den Events auf Karrierechancen in Ihrem Betrieb hinweisen.
- Stellenangebote allüberall
„Fahrer gesucht!“ An diese Information auf Lkw oder Bussen hat man sich schon gewöhnt. Nutzen auch Sie Ihre Firmenfahrzeuge, um Ihren Personalbedarf in die Öffentlichkeit zu tragen. Daneben können Sie Ihre Mitarbeiter Firmen-T-Shirts tragen lassen, auf denen mehr oder weniger konkrete Stellenangebote bekannt gemacht werden. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt: Gesuche können Sie auch Ihren Lieferungen beilegen, mit auf Rechnungen und Lieferscheine drucken, ans Firmengebäude hängen oder in die Mail-Signaturen aufnehmen.
- Mentorenprogramme
Ganz entscheidend für den längerfristigen Verbleib von Fachkräften in einem Unternehmen ist die Anfangsphase. Hier haben sich Mentorenprogramme als sehr förderlich erwiesen, denn ein Mentor bietet niedrigschwellige Hilfe bei allen beruflichen Herausforderungen, basierend auf einem Vertrauensverhältnis auf Augenhöhe. Generell sollte das Onboarding bereits als wichtige Säule der Mitarbeiterbindung begriffen werden.
- Makro- statt Mikromanagement
Insbesondere die jüngeren Arbeitnehmergenerationen wünschen und erwarten ein gewisses Maß an Autonomie im Job. Auch wenn es vielen Führungskräften schwerfällt, derart loszulassen: Geben Sie Ihren Fachkräften Freiraum. Definieren Sie Ziele, ohne die Wege dahin en détail vorzugeben und womöglich noch tagtäglich zu kontrollieren. Oftmals finden die jungen Talente dabei innovative Lösungen, die den bisher praktizierten voraus sind.
- Mitarbeiter am Unternehmen beteiligen
In größeren Unternehmen wie Aktiengesellschaften ist es schon länger üblich, im Mittelstand noch die Ausnahme: Machen Sie Ihre Mitarbeiter zu Mitgesellschaftern. Selbst der motivierteste Angestellte bringt nicht so viel Commitment für eine Firma auf wie ein Mitbesitzer. Egal wie klein der Unternehmensanteil ist – er fördert die Identifikation und die Bindung.
- Ungewöhnliche Benefits
Betriebliche Zusatzleistungen sind keine Neuheit, Weihnachtsgeld und eine betriebliche Altersversorgung gelten in vielen Branchen als Standard. Ihr Unternehmen kann jedoch einen oder zwei Schritte weitergehen und Besonderes bieten, um auf dem Arbeitsmarkt aufzufallen und für mehr Wohlfühlatmosphäre zu sorgen. Best-Practice-Beispiele sind Blumen-Abos fürs Homeoffice der Mitarbeiter, Gutscheine für außergewöhnliche Erlebnisse, Deskbikes an den Schreibtischen oder wöchentliche kostenlose Friseur-/Barber-Angebote in den Firmenräumen. Kostspieliger, aber umso zugkräftiger sind Kinderbetreuungsangebote oder Haushaltshilfen für den Fall, dass es in der Firma länger wird.